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Voll erwerbsgeminderter Schwerbehinderter: Keine Ladungspflicht zum Vorstellungsgespräch

LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 15.04.2021 – 14 Sa 83/20

Öffentliche Arbeitgeber müssen schwerbehinderte Stellenbewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen, sofern die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt. Nach einem durch unsere Kanzlei erwirkten Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg entfällt diese Pflicht, wenn der schwerbehinderte Mensch noch über die Dauer von rund 2,5 Jahren eine volle Erwerbsminderungsrente bezieht.

Der Bezug einer derartigen Rente führt nach dem TVöD zum Ruhen eines Arbeitsverhältnisses, also zur Aussetzung der Hauptleistungsflichten. Das LAG Baden-Württemberg erkannte, dass die Kommune berechtigterweise zur Einstellungsvoraussetzung machen durfte, dass bei einem Erwerber die tarifvertragliche Ruhensfolge nicht eintrete, weil eine Einstellung aufgrund des akuten Beschäftigungsbedarfs sinnentleert wäre. Zeitlich vorgelagert konnte daher auch eine Einladung zum Vorstellungsgespräch unterbleiben. Die durch eine Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch prinzipiell eingetretene Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung sei daher in einem solchen Fall widerlegt.

Das LAG Baden-Württemberg wies somit – wie das Arbeitsgericht in der Vorinstanz – die Klage gegen die Kommune ab. Ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgrund Benachteiligung wegen einer Behinderung bestehe nicht.

Praxishinweis: Öffentliche, aber auch private Arbeitgeber treffen im Zusammenhang mit Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen zahlreiche Pflichten. Um sich nicht der vielfach schwer zu widerlegenden Vermutung einer Benachteiligung des Schwerbehinderten auszusetzen, sollten die behördlichen bzw. betrieblichen Abläufe im Bewerbungsverfahren unter Berücksichtigung der rechtlichen Anforderungen gut organisiert sein.

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